[Graf von Krolock:]
Endlich Nacht, kein Stern zu sehen!
Der Mond versteckt sich, denn ihm graut vor mir.
Kein Licht im Weltenmeer,
Kein falscher Hoffnungsstrahl,
Nur die Stille,
Und in mir die Schattenbilder meiner Qual.
Das Korn war golden und der Himmel klar,
1617, als es Sommer war.
Wir lagen im flüsternden Gras,
Ihre Hand auf meiner Haut war zärtlich und warm.
Sie ahnte nicht, dass ich verloren bin.
Ich glaubte ja noch selbst daran, dass ich gewinn'.
Doch an diesem Tag geschah's zum erstenmal:
Sie starb in meinem Arm.
Wie immer, wenn ich nach dem Leben griff,
Blieb nichts in meiner Hand.
Ich möchte Flamme sein und Asche werden
Und hab noch nie gebrannt.
Ich will hoch und höher steigen
Und sinke immer tiefer ins Nichts.
Ich will ein Engel oder ein Teufel sein
Und bin doch nichts als eine Kreatur,
Die immer das will, was sie nicht kriegt!
Gäb's nur einen Augenblick des Glücks für mich,
Nähm' ich ew'ges Leid in Kauf.
Doch alle Hoffnung ist vergebens:
Der Hunger hört nie auf.
Des Pastors Tochter ließ mich ein bei Nacht,
1730 nach der Mainandacht.
Mit ihrem Herzblut schrieb ich ein Gedicht
Auf ihre weiße Haut.
Und des Kaisers Page aus Napoleons Tross…
1813 stand er vor dem Schloss.
Dass seine Trauer mir das Herz nicht brach,
Kann ich mir nicht verzeih'n.
Doch immer, wenn ich nach dem Leben greif',
Spür' ich, wie es zerbricht.
Ich will die Welt versteh'n und alles wissen
Und kenn mich selber nicht!
Ich will frei und freier werden
Und werde meine Ketten nicht los.
Ich will ein Heiliger oder ein Verbrecher sein
Und bin doch nichts als eine Kreatur,
Die will, was sie nicht kriegt, und zerreißen muss, was immer sie liebt!
Jeder glaubt, dass alles einmal besser wird,
D'rum nimmt er das Leid in Kauf.
Ich will endlich einmal satt sein,
Doch der Hunger hört nie auf.
Manche glauben an die Menschheit
Und manche an Geld und Ruhm,
Manche glauben an Kunst und Wissenschaft,
An Liebe und an Heldentum,
Viele glauben an Götter
Verschiedenster Art,
An Wunder und Zeichen,
An Himmel und Hölle,
An Sünde und Tugend
Und an Bibel und Brevier.
Doch die wahre Macht, die uns regiert,
Ist die schändliche
Unendliche
Verzehrende
Zerstörende
Und ewig unstillbare Gier!
Euch Sterblichen von morgen
Prophezeih' ich heut' und hier:
Bevor noch das nächste Jahrtausend beginnt,
Ist der einzige Gott, dem jeder dient,
Die unstillbare Gier!