Also, das machen wir so, Genossen
Wir argumentieren streng sachlich, Genossen
Beginnen in freundlichem Ton
Wir sagen: "Sie reaktionäres Arschloch!", zum Beispiel
Oder: "Hör mal, du alter Gelegenheitsficker!"
Das steigert die Komm'nikation
Nur so! kann der Partner verunsichert werden
Nur so! kann Politisches grundsätzlich werden
Wie uns die vergangenen Erfahrungen lehren
Und das gilt für jeden Fall, wo einer uns vors Sprachrohr rennt
Nehmen wir mal an, kommt ein Hüttenarbeiter
Nachtschicht aus, abgeschlafft, grau undsoweiter
Das trifft sich gut
Dieser Mann hat ein ganz genuines Bedürfnis nach kühner Gedanken gewaltiger Ebbe und Flut
Wir machen keinerlei Umschweifungen und legen die Agitation sehr breit an
Und nehmen nicht falsche Rücksicht auf Sorgen um kleinlichen Kleinbürgerkram
Was sollen uns Arbeitsplatz-, Raten-, Umschulungs-, Lohn- und Gewerkschaftsklagen?
Die objektiven Verhältnisse werden verschleiert durch solcherlei Fragen
Durch Massenmedien ist heutzutage jedwede Meinung gelenkt
Drum heißt, unser erstes Gebot: Ignorieren, was der Mann denkt
Weil, es ist sowieso falsch
Hier setzen wir an mit Aufklärungsarbeit, an der Basis
Der Mann muss wissen, was wirklich los ist
Wie kann er's erfahren? Wir sagens ihm einfach einmal
Einmal muss reichen
Spontan kommt ein Lernprozess im Gang
Innerhalb weniger Sekunden denkt der Mann grundsätzlich um
Widebumm
Wetten?
Neue Phase: Außeinandersetzung im Weltmaßstab
Frage: "Was tust du für den Klassenkampf in Angola?"
Gähnende Betroffenheit. Nachstoßen mit qualifizierter Information
"Du bist ja längst integriert, wie die anderen Scheißtypen auch
Euer Lohnkampf festigt das System der Ausbeutung nur noch mehr
Kühlschrank und Auto sind euer Judaslohn für gemeinen Klassenverrat
Begangen von dir und deinesgleiche an euren revolutionären Kumpels in der Dritten Welt
Was folgt daraus?
Das Proletariat muss wieder hungern. Vorher gibts keine Revolution!"
Darüber wird er sich gewiss sehr herzlich freuen, das macht die Augen schuppenfrei
Runter mit dem Grauschleier! Vom Blitzschlag defrustriert
Der Mann ist jetzt bereit auszusteigen aus dem Produktionsprozess
Zu vergesellschaften Weib und Kinder, zu erwerben eine Maschinenpistole
Vor uns steht ein frischgebackener revolutionärer Voluntär
Übergang in die dritte Phase
Ideologische Vertiefung, Ziel: die Reifeprüfung
Aus zerwühltem Boden schießt steil die Frage empor
"Was is'n das eigentlich, Sozialismus?"
Unsere schlagfertige Antwort kann nur theologisch sein:
"Konsum ist Scheiße und zwar grundsätzlich
Wird im Sozialismus konsumiert, ist das eben auch Scheiße
Konsum ist Terror, also Faschismus
Arbeit, besonders geteilte, ist Repression
Die moderne Industriegesellschaft daher inhuman!"
Wir sagen mehrfach 'Marx', denken aber 'Dahrendorf' und 'Galbraith'
Wir holen weiter aus, nehmen die unverblümte Suppenterine und geben hinein:
Gewerkschaftsführer von links bis rechts, nebst Industriebund
Flick und Brenner, Bankherren, Sozis, Nazis, Kommunisten, DDR und Bundeswehr
Umrühren, stehen lassen, eiskalt servieren, als 'Establishment'
Blitzscharfe Lösung und hält den Blick frei auf das Wesentliche
Den wahren Sozialismus
"Du fragst noch immer, was das ist?
Lieber Genosse! Nun begreif doch endlich mal den Sozialismus als Leerformel
Offen nach allen Seiten
Was wir da einestags reinfüllen können, das diskutieren wir aus, wenn wir können
Wir sind noch so wunderbar jung
Bedenk:
Nur Kleinbürgern sehnt es, sich festzulegen
Wir sind gegen Orthodoxie deswegen
Denn davon kommt keiner in Schwung
Wie soll man da noch Utopie konzipieren?
Wir wollen das Establishment unterminieren
Wir wollen ja eben gerade nichts etablieren
Und vor allem nicht den Sozialismus
Haste das kapiert?"
Selbst solcher Vorgang ward übergetitelt
'Wie man den Leuten Bewusstsein vermittelt'
Wenn die nun wörterlos weggehen
Und mit dem Bewusstsein nicht selber was anfangen können
Dann ist das nicht unsere Schuld
Angenommen, so einer schlägt das Briefchen vom Hasche aus
Weil er den Blick auf das Wesentliche einfach nicht kriegen will
Angenommen, er wirft gar mit Maulschellen herum
Dann ist das alles doch nur ein weiterer Beweis dafür
Dass die Arbeiterklasse aufgehört hat, eine revolutionäre Kraft zu sein
Oder?