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Die Künstler lyrics
Die Künstler lyrics
turnover time:2024-11-25 00:53:22
Die Künstler lyrics

Wie schön, o Mensch, mit deinem Palmenzweige

Stehst du an des Jahrhunderts Neige,

In edler stolzer Männlichkeit,

Mit aufgeschloßnem Sinn, mit Geistesfülle,

Voll milden Ernsts, in tatenreicher Stille,

Der reifste Sohn der Zeit,

Frei durch Vernunft, stark durch Gesetze,

Durch Sanftmut groß, und reich durch Schätze,

Die lange Zeit dein Busen dir verschwieg,

Herr der Natur, die deine Fesseln liebet,

Die deine Kraft in tausend Kämpfen übet

Und prangend unter dir aus der Verwildrung stieg!

Berauscht von dem errungnen Sieg,

Verlerne nicht, die Hand zu preisen,

Die an des Lebens ödem Strand

Den weinenden verlaßnen Waisen,

Des wilden Zufalls Beute, fand,

Die frühe schon der künftgen Geisterwürde

Dein junges Herz im stillen zugekehrt,

Und die befleckende Begierde

Von deinem zarten Busen abgewehrt,

Die Gütige, die deine Jugend

In hohen Pflichten spielend unterwies,

Und das Geheimnis der erhabnen Tugend

In leichten Rätseln dich erraten ließ,

Die, reifer nur ihn wieder zu empfangen,

In fremde Arme ihren Liebling gab,

O falle nicht mit ausgeartetem Verlangen

Zu ihren niedern Dienerinnen ab!

Im Fleiß kann dich die Biene meistern,

In der Geschicklichkeit ein Wurm dein Lehrer sein,

Dein Wissen teilest du mit vorgezognen Geistern,

Die Kunst, o Mensch, hast du allein.

Nur durch das Morgentor des Schönen

Drangst du in der Erkenntnis Land.

An höhern Glanz sich zu gewöhnen,

Übt sich am Reize der Verstand.

Was bei dem Saitenklang der Musen

Mit süßem Beben dich durchdrang,

Erzog die Kraft in deinem Busen,

Die sich dereinst zum Weltgeist schwang.

Was erst, nachdem Jahrtausende verflossen,

Die alternde Vernunft erfand,

Lag im Symbol des Schönen und des Großen

Voraus geoffenbart dem kindischen Verstand.

Ihr holdes Bild hieß uns die Tugend lieben,

Ein zarter Sinn hat vor dem Laster sich gesträubt,

Eh noch ein Solon das Gesetz geschrieben,

Das matte Blüten langsam treibt.

Eh vor des Denkers Geist der kühne

Begriff des ewgen Raumes stand,

Wer sah hinauf zur Sternenbühne,

Der ihn nicht ahndend schon empfand?

Die, eine Glorie von Orionen

Ums Angesicht, in hehrer Majestät,

Nur angeschaut von reineren Dämonen,

Verzehrend über Sternen geht,

Geflohn auf ihrem Sonnenthrone,

Die furchtbar herrliche Urania,

Mit abgelegter Feuerkrone

Steht sie – als Schönheit vor uns da.

Der Anmut Gürtel umgewunden,

Wird sie zum Kind, daß Kinder sie verstehn:

Was wir als Schönheit hier empfunden,

Wird einst als Wahrheit uns entgegengehn.

Als der Erschaffende von seinem Angesichte

Den Menschen in die Sterblichkeit verwies

Und eine späte Wiederkehr zum Lichte

Auf schwerem Sinnenpfad ihn finden hieß,

Als alle Himmlischen ihr Antlitz von ihm wandten,

Schloß sie, die Menschliche, allein

Mit dem verlassenen Verbannten

Großmütig in die Sterblichkeit sich ein.

Hier schwebt sie, mit gesenktem Fluge,

Um ihren Liebling, nah am Sinnenland,

Und malt mit lieblichem Betruge

Elysium auf seine Kerkerwand.

Als in den weichen Armen dieser Amme

Die zarte Menschheit noch geruht,

Da schürte heilge Mordsucht keine Flamme,

Da rauchte kein unschuldig Blut.

Das Herz, das sie an sanften Banden lenket,

Verschmäht der Pflichten knechtisches Geleit;

Ihr Lichtpfad, schöner nur geschlungen, senket

Sich in die Sonnenbahn der Sittlichkeit.

Die ihrem keuschen Dienste leben,

Versucht kein niedrer Trieb, bleicht kein Geschick;

Wie unter heilige Gewalt gegeben

Empfangen sie das reine Geisterleben,

Der Freiheit süßes Recht, zurück.

Glückselige, die sie – aus Millionen

Die reinsten – ihrem Dienst geweiht,

In deren Brust sie würdigte zu thronen,

Durch deren Mund die Mächtige gebeut,

Die sie auf ewig flammenden Altären

Erkor, das heilge Feuer ihr zu nähren,

Vor deren Aug allein sie hüllenlos erscheint,

Die sie in sanftem Bund um sich vereint!

Freut euch der ehrenvollen Stufe,

Worauf die hohe Ordnung euch gestellt:

In die erhabne Geisterwelt

Wart ihr der Menschheit erste Stufe.

Eh ihr das Gleichmaß in die Welt gebracht,

Dem alle Wesen freudig dienen –

Ein unermeßner Bau, im schwarzen Flor der Nacht

Nächst um ihn her mit mattem Strahle nur beschienen,

Ein streitendes Gestaltenheer,

Die seinen Sinn in Sklavenbanden hielten

Und ungesellig, rauh wie er,

Mit tausend Kräften auf ihn zielten,

– So stand die Schöpfung vor dem Wilden.

Durch der Begierde blinde Fessel nur

An die Erscheinungen gebunden,

Entfloh ihm, ungenossen, unempfunden,

Die schöne Seele der Natur.

Und wie sie fliehend jetzt vorüber fuhr,

Ergriffet ihr die nachbarlichen Schatten

Mit zartem Sinn, mit stiller Hand,

Und lerntet in harmonschem Band

Gesellig sie zusammengatten.

Leichtschwebend fühlte sich der Blick

Vom schlanken Wuchs der Zeder aufgezogen;

Gefällig strahlte der Kristall der Wogen

Die hüpfende Gestalt zurück.

Wie konntet ihr des schönen Winks verfehlen,

Womit euch die Natur hilfreich entgegen kam?

Die Kunst, den Schatten ihr nachahmend abzustehlen,

Wies euch das Bild, das auf der Woge schwamm.

Von ihrem Wesen abgeschieden,

Ihr eignes liebliches Phantom,

Warf sie sich in den Silberstrom,

Sich ihrem Räuber anzubieten.

Die schöne Bildkraft ward in eurem Busen wach.

Zu edel schon, nicht müßig zu empfangen,

Schuft ihr im Sand – im Ton den holden Schatten nach,

Im Umriß ward sein Dasein aufgefangen.

Lebendig regte sich des Wirkens süße Lust –

Die erste Schöpfung trat aus eurer Brust.

Von der Betrachtung angehalten,

Von eurem Späheraug umstrickt,

Verrieten die vertraulichen Gestalten

Den Talisman, wodurch sie euch entzückt.

Die wunderwirkenden Gesetze,

Des Reizes ausgeforschte Schätze

Verknüpfte der erfindende Verstand

In leichtem Bund in Werken eurer Hand.

Der Obeliske stieg, die Pyramide,

Die Herme stand, die Säule sprang empor,

Des Waldes Melodie floß aus dem Haberrohr,

Und Siegestaten lebten in dem Liede.

Die Auswahl einer Blumenflur,

Mit weiser Wahl in einen Strauß gebunden,

So trat die erste Kunst aus der Natur;

Jetzt wurden Sträuße schon in einen Kranz gewunden,

Und eine zweite höhre Kunst erstand

Aus Schöpfungen der Menschenhand.

Das Kind der Schönheit, sich allein genug,

Vollendet schon aus eurer Hand gegangen,

Verliert die Krone, die es trug,

Sobald es Wirklichkeit empfangen.

Die Säule muß, dem Gleichmaß untertan,

An ihre Schwestern nachbarlich sich schließen,

Der Held im Heldenheer zerfließen,

Des Mäoniden Harfe stimmt voran.

Bald drängten sich die staunenden Barbaren

Zu diesen neuen Schöpfungen heran.

Seht, riefen die erfreuten Scharen,

Seht an, das hat der Mensch getan!

In lustigen, geselligeren Paaren

Riß sie des Sängers Leier nach,

Der von Titanen sang und Riesenschlachten,

Und Löwentötern, die, so lang der Sänger sprach,

Aus seinen Hörern Helden machten.

Zum erstenmal genießt der Geist,

Erquickt von ruhigeren Freuden,

Die aus der Ferne nur ihn weiden,

Die seine Gier nicht in sein Wesen reißt,

Die im Genusse nicht verscheiden.

Jetzt wand sich von dem Sinnenschlafe

Die freie schöne Seele los,

Durch euch entfesselt, sprang der Sklave

Der Sorge in der Freude Schoß.

Jetzt fiel der Tierheit dumpfe Schranke,

Und Menschheit trat auf die entwölkte Stirn,

Und der erhabne Fremdling, der Gedanke

Sprang aus dem staunenden Gehirn.

Jetzt stand der Mensch, und wies den Sternen

Das königliche Angesicht,

Schon dankte in erhabnen Fernen

Sein sprechend Aug dem Sonnenlicht.

Das Lächeln blühte auf der Wange,

Der Stimme seelenvolles Spiel

Entfaltete sich zum Gesange,

Im feuchten Auge schwamm Gefühl,

Und Scherz mit Huld in anmutsvollem Bunde

Entquollen dem beseelten Munde.

Begraben in des Wurmes Triebe,

Umschlungen von des Sinnes Lust,

Erkanntet ihr in seiner Brust

Den edlen Keim der Geisterliebe.

Daß von des Sinnes niederm Triebe

Der Liebe beßrer Keim sich schied,

Dankt er dem ersten Hirtenlied.

Geadelt zur Gedankenwürde,

Floß die verschämtere Begierde

Melodisch aus des Sängers Mund.

Sanft glühten die betauten Wangen,

Das überlebende Verlangen

Verkündigte der Seelen Bund.

Der Weisen Weisestes, der Milden Milde,

Der Starken Kraft, der Edeln Grazie,

Vermähltet ihr in einem Bilde

Und stelltet es in eine Glorie.

Der Mensch erbebte vor dem Unbekannten,

Er liebte seinen Widerschein;

Und herrliche Heroen brannten,

Dem großen Wesen gleich zu sein.

Den ersten Klang vom Urbild alles Schönen,

Ihr ließet ihn in der Natur ertönen.

Der Leidenschaften wilden Drang

Des Glückes regellose Spiele,

Der Pflichten und Instinkte Zwang

Stellt ihr mit prüfendem Gefühle,

Mit strengem Richtscheit nach dem Ziele.

Was die Natur auf ihrem großen Gange

In weiten Fernen auseinander zieht,

Wird auf dem Schauplatz, im Gesange

Der Ordnung leicht gefaßtes Glied.

Vom Eumenidenchor geschrecket,

Zieht sich der Mord, auch nie entdecket,

Das Los des Todes aus dem Lied.

Lang, eh die Weisen ihren Ausspruch wagen,

Löst eine Ilias des Schicksals Rätselfragen

Der jugendlichen Vorwelt auf;

Still wandelte von Thespis‘ Wagen

Die Vorsicht in den Weltenlauf.

Doch in den großen Weltenlauf

Ward euer Ebenmaß zu früh getragen.

Als des Geschickes dunkle Hand,

Was sie vor eurem Auge schnürte,

Vor eurem Aug nicht auseinanderband,

Das Leben in die Tiefe schwand,

Eh es den schönen Kreis vollführte –

Da führtet ihr aus kühner Eigenmacht

Den Bogen weiter durch der Zukunft Nacht;

Da stürztet ihr euch ohne Beben

In des Avernus schwarzen Ozean

Und trafet das entflohne Leben

Jenseits der Urne wieder an:

Da zeigte sich mit umgestürztem Lichte,

An Kastor angelehnt, ein blühend Polluxbild:

Der Schatten in des Mondes Angesichte,

Eh sich der schöne Silberkreis erfüllt.

Doch höher stets, zu immer höhern Höhen

Schwang sich der schaffende Genie.

Schon sieht man Schöpfungen aus Schöpfungen erstehen,

Aus Harmonien Harmonie.

Was hier allein das trunkne Aug entzückt,

Dient unterwürfig dort der höhern Schöne;

Der Reiz, der diese Nymphe schmückt,

Schmilzt sanft in eine göttliche Athene:

Die Kraft, die in des Ringers Muskel schwillt,

Muß in des Gottes Schönheit lieblich schweigen;

Das Staunen seiner Zeit, das stolze Jovisbild,

Im Tempel zu Olympia sich neigen.

Die Welt, verwandelt durch den Fleiß,

Das Menschenherz, bewegt von neuen Trieben,

Die sich in heißen Kämpfen üben,

Erweitern euren Schöpfungskreis.

Der fortgeschrittne Mensch trägt auf erhobnen Schwingen

Dankbar die Kunst mit sich empor,

Und neue Schönheitswelten springen

Aus der bereicherten Natur hervor.

Des Wissens Schranken gehen auf,

Der Geist, in euren leichten Siegen

Geübt, mit schnell gezeitigtem Vergnügen

Ein künstlich All von Reizen zu durcheilen,

Stellt der Natur entlegenere Säulen,

Ereilet sie auf ihrem dunkeln Lauf.

Jetzt wägt er sie mit menschlichen Gewichten,

Mißt sie mit Maßen, die sie ihm geliehn;

Verständlicher in seiner Schönheit Pflichten,

Muß sie an seinem Aug vorüberziehn.

In selbstgefällger jugendlicher Freude

Leiht er den Sphären seine Harmonie,

Und preiset er das Weltgebäude,

So prangt es durch die Symmetrie.

In allem, was ihn jetzt umlebet,

Spricht ihn das holde Gleichmaß an.

Der Schönheit goldner Gürtel webet

Sich mild in seine Lebensbahn;

Die selige Vollendung schwebet

In euren Werken siegend ihm voran.

Wohin die laute Freude eilet,

Wohin der stille Kummer flieht,

Wo die Betrachtung denkend weilet,

Wo er des Elends Tränen sieht,

Wo tausend Schrecken auf ihn zielen,

Folgt ihm ein Harmonienbach,

Sieht er die Huldgöttinnen spielen

Und ringt in still verfeinerten Gefühlen

Der lieblichen Begleitung nach.

Sanft, wie des Reizes Linien sich winden,

Wie die Erscheinungen um ihn

In weichem Umriß ineinander schwinden,

Flieht seines Lebens leichter Hauch dahin.

Sein Geist zerrinnt im Harmonienmeere,

Das seine Sinne wollustreich umfließt,

Und der hinschmelzende Gedanke schließt

Sich still an die allgegenwärtige Cythere.

Mit dem Geschick in hoher Einigkeit,

Gelassen hingestützt auf Grazien und Musen,

Empfängt er das Geschoß, das ihn bedräut,

Mit freundlich dargebotnem Busen

Vom sanften Bogen der Notwendigkeit.

Vertraute Lieblinge der selgen Harmonie,

Erfreuende Begleiter durch das Leben,

Das Edelste, das Teuerste, was sie,

Die Leben gab, zum Leben uns gegeben!

Daß der entjochte Mensch jetzt seine Pflichten denkt,

Die Fessel liebet, die ihn lenkt,

Kein Zufall mehr mit ehrnem Zepter ihm gebeut,

Dies dankt euch – eure Ewigkeit,

Und ein erhabner Lohn in eurem Herzen.

Daß um den Kelch, worin uns Freiheit rinnt,

Der Freude Götter lustig scherzen,

Der holde Traum sich lieblich spinnt,

Dafür seid liebevoll umfangen!

Dem prangenden, dem heitern Geist,

Der die Notwendigkeit mit Grazie umzogen,

Der seinen Äther, seinen Sternenbogen

Mit Anmut uns bedienen heißt,

Der, wo er schreckt, noch durch Erhabenheit entzücket,

Und zum Verheeren selbst sich schmücket,

Dem großen Künstler ahmt ihr nach.

Wie auf dem spiegelhellen Bach

Die bunten Ufer tanzend schweben,

Das Abendrot, das Blütenfeld,

So schimmert auf dem dürftgen Leben

Der Dichtung muntre Schattenwelt.

Ihr führet uns im Brautgewande

Die fürchterliche Unbekannte,

Die unerweichte Parze vor.

Wie eure Urnen die Gebeine,

Deckt ihr mit holdem Zauberscheine

Der Sorgen schauervollen Chor.

Jahrtausende hab ich durcheilet,

Der Vorwelt unabsehlich Reich:

Wie lacht die Menschheit, wo ihr weilet,

Wie traurig liegt sie hinter euch!

Die einst mit flüchtigem Gefieder

Voll Kraft aus euren Schöpferhänden stieg,

In eurem Arm fand sie sich wieder,

Als durch der Zeiten stillen Sieg

Des Lebens Blüte von der Wange,

Die Stärke von den Gliedern wich

Und traurig, mit entnervtem Gange,

Der Greis an seinem Stabe schlich.

Da reichtet ihr aus frischer Quelle

Dem Lechzenden die Lebenswelle.

Zweimal verjüngte sich die Zeit,

Zweimal von Samen, die ihr ausgestreut.

Vertrieben von Barbarenheeren,

Entrisset ihr den letzten Opferbrand

Des Orients entheiligten Altären

Und brachtet ihn dem Abendland.

Da stieg der schöne Flüchtling aus dem Osten,

Der junge Tag, im Westen neu empor,

Und auf Hesperiens Gefilden sproßten

Verjüngte Blüten Joniens hervor.

Die schönere Natur warf in die Seelen

Sanft spiegelnd einen schönen Widerschein,

Und prangend zog in die geschmückten Seelen

Des Lichtes große Göttin ein.

Da sah man Millionen Ketten fallen,

Und über Sklaven sprach jetzt Menschenrecht,

Wie Brüder friedlich miteinander wallen,

So mild erwuchs das jüngere Geschlecht.

Mit innrer hoher Freudenfülle

Genießt ihr das gegebne Glück

Und tretet in der Demut Hülle

Mit schweigendem Verdienst zurück.

Wenn auf des Denkens freigegebnen Bahnen

Der Forscher jetzt mit kühnem Glücke schweift

Und, trunken von siegrufenden Päanen,

Mit rascher Hand schon nach der Krone greift;

Wenn er mit niederm Söldnerslohne

Den edeln Führer zu entlassen glaubt,

Und neben dem geträumten Throne

Der Kunst den ersten Sklavenplatz erlaubt:

Verzeiht ihm – der Vollendung Krone

Schwebt glänzend über eurem Haupt.

Mit euch, des Frühlings erster Pflanze,

Begann die seelenbildende Natur,

Mit euch, dem freudgen Erntekranze,

Schließt die vollendende Natur.

Die von dem Ton, dem Stein bescheiden aufgestiegen,

Die schöpferische Kunst, umschließt mit stillen Siegen

Des Geistes unermeßnes Reich;

Was in des Wissens Land Entdecker nur ersiegen,

Entdecken sie, ersiegen sie für euch.

Der Schätze, die der Denker aufgehäufet,

Wird er in euren Armen erst sich freun,

Wenn seine Wissenschaft, der Schönheit zugereifet,

Zum Kunstwerk wird geadelt sein –

Wenn er auf einen Hügel mit euch steiget,

Und seinem Auge sich, in mildem Abendschein,

Das malerische Tal – auf einmal zeiget.

Je reicher ihr den schnellen Blick vergnüget,

Je höhre, schönre Ordnungen der Geist

In einem Zauberbund durchflieget,

In einem schwelgenden Genuß umkreist;

Je weiter sich Gedanken und Gefühle

Dem üppigeren Harmonienspiele,

Dem reichern Strom der Schönheit aufgetan –

Je schönre Glieder aus dem Weltenplan,

Die jetzt verstümmelt seine Schöpfung schänden,

Sieht er die hohen Formen dann vollenden,

Je schönre Rätsel treten aus der Nacht,

Je reicher wird die Welt, die er umschließet,

Je breiter strömt das Meer, mit dem er fließet,

Je schwächer wird des Schicksals blinde Macht,

Je höher streben seine Triebe,

Je kleiner wird er selbst, je größer seine Liebe.

So führt ihn, in verborgnem Lauf,

Durch immer reinre Formen, reinre Töne,

Durch immer höhre Höhn und immer schönre Schöne

Der Dichtung Blumenleiter still hinauf –

Zuletzt, am reifen Ziel der Zeiten,

Noch eine glückliche Begeisterung,

Des jüngsten Menschenalters Dichterschwung,

Und – in der Wahrheit Arme wird er gleiten.

Sie selbst, die sanfte Cypria,

Umleuchtet von der Feuerkrone

Steht dann vor ihrem mündgen Sohne

Entschleiert – als Urania;

So schneller nur von ihm erhaschet,

Je schöner er von ihr geflohn!

So süß, so selig überraschet

Stand einst Ulyssens edler Sohn,

Da seiner Jugend himmlischer Gefährte

Zu Jovis Tochter sich verklärte.

Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,

Bewahret sie!

Sie sinkt mit euch! Mit euch wird sie sich heben!

Der Dichtung heilige Magie

Dient einem weisen Weltenplane,

Still lenke sie zum Ozeane

Der großen Harmonie!

Von ihrer Zeit verstoßen, flüchte

Die ernste Wahrheit zum Gedichte

Und finde Schutz in der Kamönen Chor.

In ihres Glanzes höchster Fülle,

Furchtbarer in des Reizes Hülle,

Erstehe sie in dem Gesange

Und räche sich mit Siegesklange

An des Verfolgers feigem Ohr.

Der freisten Mutter freie Söhne,

Schwingt euch mit festem Angesicht

Zum Strahlensitz der höchsten Schöne,

Um andre Kronen buhlet nicht.

Die Schwester, die euch hier verschwunden,

Holt ihr im Schoß der Mutter ein;

Was schöne Seelen schön empfunden,

Muß trefflich und vollkommen sein.

Erhebet euch mit kühnem Flügel

Hoch über euren Zeitenlauf;

Fern dämmre schon in euerm Spiegel

Das kommende Jahrhundert auf.

Auf tausendfach verschlungnen Wegen

Der reichen Mannigfaltigkeit

Kommt dann umarmend euch entgegen

Am Thron der hohen Einigkeit.

Wie sich in sieben milden Strahlen

Der weiße Schimmer lieblich bricht,

Wie sieben Regenbogenstrahlen

Zerrinnen in das weiße Licht:

So spielt in tausendfacher Klarheit

Bezaubernd um den trunknen Blick,

So fließt in einen Bund der Wahrheit,

In einen Strom des Lichts zurück!

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Friedrich Schiller
  • country:Germany
  • Languages:German
  • Genre:Poetry
  • Wiki:http://en.wikipedia.org/wiki/Schiller
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