Als ich schlummernd lag heut nacht,
lockten süße Träume,
schimmernd in der Jugend Pracht,
mich in ferne Räume.
Krasses Füchslein saß ich schlank
in der Kneipe wieder,
und in vollem Chore klang
laut das Lied der Lieder:
Gaudeamus igitur,
iuvenes dum sumus!
Post iucundam juventutem,
post molestam senectutem
nos habebit humus!
Tabakswolkenduft umkreist
bläulich Rheinweinbecher;
Desto heller flammt der Geist
in dem Haupt der Zecher.
Füchslein fühlt im Weltenrund
sich der Schöpfung Krone,
und er singt mit keckem Mund
und mit keckem Tone:
Ubi sunt qui ante nos
in mundo fuere?
Vadite ad superos,
transite ad inferos,
hos si vis videre!
Jäh erwacht ich. – Glockenklar
tönt' mir's in den Ohren:
Heut sind's runde siebzig Jahr
seit du wardst geboren.
Heut schon liegen hinter dir
der Semester hundert! –
Hell rieb ich die Augen mir,
summte still verwundert:
Vita nostra brevis est,
brevi finietur,
venit mors velociter,
rapit nos atrociter,
nemini parcetur.
Schnell vom Lager sprang ich auf,
rief: Mir hat das Leben
viel in seinem kurzen Lauf,
Leid und Lust, gegeben.
Sei vergessen, was gedrückt
mich mit Sorg und Plage;
heut ein Hoch dem, was beglückt'
meine jungen Tage:
Vivat academia,
vivant professores,
vivat membrum quodlibet
vivant membra quaelibet
semper sint in flore!
Goldne Burschenzeit entflog,
schnell – daß Gott erbarme! –
Ledern zog Philistertum
mich in dürre Arme.
Doch philistern lernt ich nicht,
hoch auf goldnen Schwingen,
trug mich Lieb zum Himmelslicht,
jubelnd durft ich singen:
Vivant omnes virgines
faciles formosae,
vivant et mulieres,
tenerae amabiles
bonae laboriosae!
Weib und Kinder an der Hand
freut ich mich des Lebens;
Nützlich sein dem Vaterland
ward das Ziel des Strebens.
Konnte sich's zum Paradies
auch nicht ganz gestalten,
Treue, die ich ihm erwies,
hat's mich doch gehalten.
Vivat et respublica,
et qui illam regit!
Vivat nostra civitas,
maecenatum caritas,
quae nos hic protegit!
Im lateinschen Liede sang
heut ich alter Knabe
meines Lebens ganzen Gang
von der Wieg zum Grabe;
komme, wann du willst, Freund Hein,
mich zur Ruh zu bringen;
doch, wie einst ein Füchselein,
will der Greis noch singen:
Pereat tristitia,
pereant osores,
pereat diabolus,
quivis antiburschius
atque irrisores!